Osteoarthrose: Ein Blick in unsere Knie verspricht Linderung

Forscher von Novartis schauen tief in unsere Knie, um zu sehen, ob regenerierter Knorpel so elastisch ist wie natürlicher Knorpel.

19. November 2019

Von Elizabeth Dougherty

Vermutlich haben Sie Knieschmerzen - oder zumindest kennen Sie jemanden mit diesem Leiden. Osteoarthrose, meist durch abgenutzten Knorpel im Knie bedingt, betrifft weltweit über 230 Millionen Menschen. Bestenfalls führt sie lediglich dann und wann zu einem Stöhnen, schlimmstenfalls aber zu einer Unfähigkeit, ein erfülltes und mobiles Leben zu führen.

Forscher von Novartis versuchen, funktionellen Knorpel in unseren Knien zu regenerieren, jedoch ist es schwer festzustellen, ob der experimentelle Ansatz Früchte trägt. Bislang war der einzige Weg, um festzustellen, ob das regenerierte Gewebe von hoher Qualität ist, eine schmerzhafte Biopsie. Um einen solchen Eingriff zu vermeiden, kollaboriert Novartis mit einem Wissenschaftler und seinem Team an der Medizinischen Universität Wien in Österreich, um die molekulare Zusammensetzung von regeneriertem Knorpel mit Hilfe der fortschrittlichen Magnetresonanztomographie (MRT) zu bestimmen. Diese Informationen könnte Aufschlüsse darüber geben, ob das regenerierte Gewebe von jener Art ist, die wie natürlicher Knorpel fungiert, und den Patienten somit die Rückkehr zu ihren gewohnten Aktivitäten ermöglicht.

Ihre neuartige Technik gibt ihnen die Möglichkeit, durch die Knie hindurchzusehen.

Beschädigungen am Knorpel sichtbar machen

3-D Animation von Knorpelgewebe
3D-Filme des Knorpels zeigen strukturelle Details und beschädigte Stellen. Hier sehen wir Knorpel entlang des Oberschenkelknochens. Bildnachweis: Didier Laurent und Aparna Srikanth

Doch was genau passiert eigentlich im Inneren des Knies, um so viel Schmerz zu verursachen?
Unter der Kniescheibe liegen mehrere Gewebestücke, die Knorpel genannt werden. Der Knorpel wirkt dabei wie ein Kissen, welches das Zusammenstossen der Knochen verhindert, und hat eine glatte Oberfläche, die eine freie und geschmeidige Bewegung der Gelenke ermöglicht. "Die Oberfläche des Knorpels ist so glatt, es ist wie Eis auf Eis", sagt Didier Laurent, Direktor in der Biomarker-Entwicklungsgruppe der Novartis Institutes for BioMedical Research (NIBR).

Bei Osteoarthrose bricht der Knorpel jedoch zusammen und es entstehen Vertiefungen. Jene einst so spezielle federnde und rutschige Funktion nimmt ab. Gelenke werden infolge zunehmend steif und schmerzanfällig, und Bewegung kann qualvoll werden. Der menschliche Körper selbst kann diesen Schaden nicht mehr beheben.

Was ist guter Knorpel?

Eine Gewebeprobe gibt Aufschluss über Proteine im Knorpel
Knorpel, der bei einer Biopsie entnommen wird, kann gefärbt werden, um die vorhandenen Proteine zu erkennen. Zwei Schnitte aus derselben Gewebeprobe zeigen, dass in hochwertigem Knorpel Proteoglykane und Kollagen zusammen vorliegen. Proteoglykane erscheinen als rosa Fleck, Kollagen erscheint als brauner Fleck. Bildnachweis: PhenoPath Laboratories / Animation: Fidelis Onwubueke

Ein Protein namens Proteoglykan ist Teil dessen, was dem Knorpel seine Elastizität verleiht. Das Material verbindet sich auf natürliche Weise mit einem anderen Protein, Kollagen, um ein extrem starkes Material zu erzeugen, auf das selbst ein Superheld neidisch wäre. Hochwertiger Knorpel ist elastisch genug, um permanenten Stössen standzuhalten und dennoch zurückzuschnellen, und er ist glatt genug, damit sich die Knochen schnell und frei bewegen können.

Da sich beschädigter Knorpel nicht von selbst regeneriert, arbeitet ein Team von Wissenschaftlern bei Novartis in Basel an einem Weg, den Körper dazu zu bringen, diese Bausteine zu regenerieren und zu hochwertigem Gewebe zu verbinden. Die Herausforderung besteht darin, zu bestätigen, dass der regenerierte Knorpel ein starkes Geflecht aus Kollagen und Proteoglykanen darstellt, ohne dass man mittels einer Biopsie einen Teil dessen, was gerade erst wieder gewachsen ist, herausschneiden muss.

Ein Blick ins Innere des Knies

Siegfried Trattnig, Professor für Radiologie an der Medizinischen Universität Wien
NIBR Partner Siegfried Trattnig, Professor für Radiologie an der Medizinischen Universität Wien

Hier setzt Siegfried Trattnig, ein MRT-Experte an der Medizinischen Universität Wien, mit seiner Technologie an.

MRT-Geräte im klinischen Einsatz sind typischerweise 1,5 Tesla oder 3 Tesla-Scanner (Tesla ist das Mass für die Magnetfeldstärke, über die das Gerät verfügt). Trattnig arbeitet hingegen mit einer leistungsfähigeren Maschine, die bis zu 7 Tesla (7T) erzeugt.

Bei 7T ist es möglich, die feineren Details in lebenden Körpern - wie z.B. die Knie - in einer Auflösung von bis zu 200 Mikrometer (also 0,2 Millimeter) zu betrachten. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist im Schnitt etwa 70 Mikrometer breit. Die Technologie generiert zudem Informationen über die Gewebezusammensetzung, die Aussagen darüber zulässt, wie gesund das Gewebe ist. Diese neue Fähigkeit ist für die Aufnahme der subtilen Signale, die eine hochwertige Knorpelregeneration offenbaren, enorm wichtig.

Form folgt Funktion

MRT-Bild
Das traditionelle MRT verwendet magnetische Impulse, um ein Signal von Wassermolekülen im Körper zu induzieren. Diese Technologie hebt den Knorpel (blau/hellgrün) visuell vom Knochen ab. Ein fortgeschrittenes MRT hat zwar den gleichen Ansatz, wendet ihn aber auf Natrium anstelle von Wassermolekülen an. Sie macht Proteoglykane (hellgrün), den besonderen Bestandteil eines hochwertigen Knorpels, sichtbar. Regionen ohne dieses Natriumsignal deuten auf einen defekten Knorpel hin. Bilder mit freundlicher Genehmigung von Siegfried Trattnig (modifiziert von Fidelis Onwubueke)

Zusätzlich zum Einsatz eines leistungsstarken MRT-Gerätes hat Trattnig Techniken entwickelt, die das Spektrum der Materialien erweitern, die MRT-Geräte erfassen können. So kann die Technologie beispielsweise den Proteoglykanspiegel, den besonderen Bestandteil eines hochwertigen Knorpels, eruieren.

Diese MRT-Aufnahmen zeigen auch Spalten im Knorpel (oben in dunklerem Blau), die auf eine Schädigung hinweisen. NIBR Forscher untersuchen, wie sie diese Lücken mit hochwertigem Knorpel im Zuge experimenteller Regenerations-Medizin schliessen können. Durch den Einsatz fortschrittlicher MRT in ihren klinischen Studien könnten sie einen Weg gefunden haben, die Qualität regenerierten Knorpels messen können – und all das ohne die Patienten einer schmerzhaften Biopsien auszusetzen.

"Wir wollen qualitativ hochwertigen Knorpel herstellen, der lange hält", sagt Laurent. "Mit dieser Technologie haben wir eine Möglichkeit zu sehen, ob wir auf dem richtigen Weg dorthin sind."