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Ein langes, vitales Leben: Japanische Hochbetagte zeigen, wie gesundes Altwerden geht
Es ist ein glühend heisser Sommertag im Jahr 2013. Tomi Miagi, gehüllt in blaue, goldene und rote Festtagskimonos, lächelt, als die Menschenmenge im winzigen Gemeindesaal von Shioya in tosenden Applaus ausbricht. Tomi ist kürzlich 97 geworden, und im Dorf Ogimi auf der japanischen Insel Okinawa ist dies ein Anlass zum Feiern.
Der Küstenort ist bekannt für die ausserordentliche Langlebigkeit seiner Bewohner. Der Weltgesundheitsorgansiation und einer regionalen Volksumfrage zufolge hat das Dorf den höchsten Anteil an über 100-Jährigen weltweit.
Doch in den kommenden Jahrzehnten werden Hochbetagten-Geburtstage überall auf der Welt zunehmen. Die Lebenserwartung ist höher als je zuvor, und nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird sich die Zahl der über 100-Jährigen zwischen 2009 und 2050 verzehnfachen – auf 4,1 Millionen Menschen. Auch die Zahl der über 60-Jährigen wird dramatisch steigen; 2050 sollen es bereits zwei Milliarden sein.
Gesundheitliche Bedürfnisse verändern sich
Durch die wachsende Anzahl älterer Menschen verändern sich erheblich die Anforderungen an das Gesundheitswesen. Mit zunehmendem Alter steigt die körperliche Gebrechlichkeit, Muskeln und Knochen werden schwächer, und die Sinne sind weniger zuverlässig. Ältere Menschen haben auch ein höheres Risiko für chronische Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen.
Novartis arbeitet an neuartigen Verfahren im Kampf gegen verschiedene Krankheiten des Alters. So testen Wissenschaftler des Unternehmens derzeit experimentelle Medikamente, die die körpereigene Fähigkeit zur Regeneration des Gehörs bei Schwerhörigkeit und von geschwächten Muskeln aktivieren. In Arbeit sind auch neue Verfahren im Kampf gegen altersbedingte Verluste der Sehkraft.
Die ungewöhnlich hohe Lebenserwartung in Orten wie Ogimi hat weltweit für Aufsehen gesorgt, denn die Frage nach dem Geheimnis eines würdevollen Alterns beschäftigt viele Menschen. Eine mögliche Rolle könnte die traditionell gesunde Ernährungsweise von Okinawa spielen, die aus moderaten Mengen kalorienarmer, nährstoffreicher Nahrungsmittel wie Süsskartoffeln, Fisch, Seetang, einer örtlichen Bittermelone namens Goya und Sojaprodukten besteht.
Die relative Abgeschiedenheit der kleinen Küstengemeinden, aus denen Ogimi besteht, ist zudem einem regen Familien- und Sozialleben zuträglich. Die Bewohner betonen, dass die langsamere Gangart auf der Insel solche Kontakte möglich mache und wesentlich zu ihrer langen Lebenserwartung beitrage.
Geburtstagsfeier
Jedes Jahr im August richten die 17 Gemeinden, die zu Ogimi gehören, offizielle Geburtstagsfeiern für ihre berühmten hochbetagten Bewohner aus. Das «zweite Leben» oder die «Wiedergeburt» beginnt für Ogimis Senioren mit 60 Jahren, die grösste Feier ist jedoch dem 97. Geburtstag, dem «Kajimaya»-Fest, vorbehalten.
Viele Okinawaner glauben, dass Greise, die viele Lebensphasen durchlaufen und dabei grosses Wissen und Weisheit gesammelt haben, sich mit 97 wieder einem Zustand kindlicher Umschuld nähern. Diesem zyklischen Gedanken folgend erhalten die Jubilare zum Kajimaya-Fest bunte Windrädchen überreicht und werden zum Singen und Tanzen animiert. Nicht jedoch bevor der Bürgermeister von Ogimi ihnen in seiner Ansprache herzlich gratuliert hat und alle bis auf die schüchternsten der Anwesenden ein paar Worte des Lobes ausgesprochen haben.
Wenngleich der weltweite Trend hin zu einer höheren Lebenserwartung geht, befürchten viele, dass Hektik und andere Aspekte des modernen Lebens einem Mehr an Gesundheit nicht gerade zuträglich sind.
Aktiv sein und gesund bleiben
Geselligkeitsvereine, Turngruppen, Gateball (eine Art Croquet)-Ligen, Familienzusammenkünfte und zahlreiche Dorffeiern: Der soziale Kalender von Ogimis Senioren ist randvoll. Nirgendwo sonst wird ihre erstaunliche Vitalität jedoch deutlicher als bei der Arbeit.
Bauer Shimpuku Tamaki, der letztes Jahr sein Kajimaya-Fest gefeiert hat, pflegt jeden Tag im Alleingang vier verschiedene Felder, auf denen er Shikuwasa (eine einheimische Zitrusfrucht) anbaut. Warum die Bewohner von Ogimi die durchschnittlich höchste Lebenserwartung der Welt haben, wisse er auch nicht, die Ernährung spiele seiner Meinung nach dabei aber keine Rolle. «Ich lebe einfach mein Leben», meint er. «Ich habe keine spezielle Ernährungsweise, ich esse alles.» Und fügt nach kurzem Nachdenken mit einem Lächeln hinzu: «Wahrscheinlich ist es einfach ein Geschenk der Götter, dass ich schon so lange lebe.»
Tintenfischfänger Kakusei Yamashiro taucht mit seinen 84 Jahren täglich noch fast acht Stunden ohne Tauchgerät mit der Harpune nach Beute und führt seine gute Gesundheit auf seine gesunde, einfache Ernährung zurück. Auch körperliche Bewegung, so glaubt er, sei wichtig, deshalb habe er vor, möglichst lang aktiv zu bleiben.
«Mein Traum war es, mindestens bis 85 zu tauchen. Als ich dann 85 wurde, habe ich mir ein neues Ziel gesetzt: 88», erklärt er. «Vielleicht schaffe ich es bis 90. Wer weiss?»
Die Jüngeren hier werden häufiger krank und sterben, weil sie mehr Fast Food essen.
Schlagwörter: Zukunft der Gesundheitsversorgung, Medizinische Innovationen, Neurodegenerative Erkrankung